Samstagabend, kurz vor 20 Uhr: Mein Handy klingelt. Ich lese die SMS: „Pumpe 4 im Hauptpumpwerk ist ausgefallen.“ Sofort rufe ich Axel Murcha, den verantwortlichen Chef, an: „Wollen wir gleich raus?“ Murcha checkt das System: „Die anderen drei Pumpen laufen. Wir treffen uns morgen früh im Pumpwerk.“
Sonntag, 7.45 Uhr: Ich will gerade ins Auto steigen, als mein Handy klingelt: „Pumpe 2 und 3 sind auch ausgefallen“, sagt Murcha aufgeregt. Das wird anstrengend, denke ich.
8 Uhr: Mario Lenz, einer unserer Elektriker, ist schon vor Ort. Wir trennen mit einem Schieber Pumpe 4 vom Sammelraum, in dem das Schmutzwasser aus den Kanalrohren einläuft, kappen den Zufluss zur Kläranlage, schließen alle Armaturen. Dann stellt Mario Lenz den Strom ab. Sofort schraube ich den Revisionsdeckel der Pumpe auf. Ein dicker, stinkender Zopf aus verfilzten Feucht-, Baby- und Hygienetüchern quillt mir entgegen. Ich greife den Stahlhaken, der extra für diese Zwecke gebaut wurde und zerre am Gewirr. Stück für Stück löse ich das Knäuel auf.
8.40 Uhr: „Pumpe 1 transportiert immer weniger Schmutzwasser“, alarmiert Axel Murcha nervös. Zum Glück habe ich gerade Pumpe 4 freigelegt. Ich muss sie nur noch spülen. Dann öffnen wir alle Armaturen und Schieber wieder. Elektriker Mario Lenz schaltet
Pumpe 4 ein. Das vertraute Brummen des Motors signalisiert: Pumpe arbeitet!
8.50 Uhr: Während Justin Lukaszewski an Pumpe 3 wirkt, nehme ich mir Pumpe 2 vor. „Pumpe 1 festgefahren“, ruft Murcha erschrocken. Ich fluche, zerre noch stärker am Gewebeknäuel von Pumpe 2.
Ein Müllmonster im Rohr
9.15 Uhr: „Pumpe 4 erneut verstopft“, ruft Murcha verzweifelt. Jeder von uns weiß, was es bedeutet, wenn alle Pumpen ausfallen. Die vier 75 kW-Kreiselpumpen befördern das Abwasser von circa 20.000 Einwohnern zur Kläranlage Eberswalde. Das anfallende Schmutzwasser kann für einen gewissen Zeitraum in der Leitung zurückgestaut werden. Ist dieser Puffer aufgebraucht, kann das ernste Folgen haben. Nachdem Pumpe 2 wieder läuft, knöpfe ich mir Pumpe 4 erneut vor. Schieber absperren, Armaturen verriegeln, Deckel aufschrauben. Ein weiterer dicker Gewebepacken quillt mir entgegen. Die Pumpe ist genauso verstopft wie vor einer halben Stunde. Jetzt steigt Panik in mir auf. „Da ist ein Müllmonster im Rohr. Zu dritt bewältigen wir das nie!“
9.30 Uhr: Murcha klemmt sich ans Telefon, alarmiert weitere Kollegen. „Ein Notfall, wir brauchen eure Hilfe.“ Obwohl alle den Sonntag mit ihren Familien geplant hatten, eilen sechs Kollegen sofort ins Pumpwerk und packen mit an.
Ekelhafter Gestank und ein Fluch
17 Uhr: Seit neun Stunden kämpfen wir gegen die Verstopfungen. Ich habe Pumpe 4 bereits 30 Mal gereinigt. Der ekelhafte Gestank, die permanente körperliche Anstrengung zehren an meinen Kräften. Ich verfluche die Hersteller von Feuchttüchern und die Kunden, die sie in die Toilette werfen. Ich will nur noch eins: nach Hause. Doch solange nicht alle Pumpen zuverlässig arbeiten, müssen wir weitermachen. Die Pumpen sind gut in Schuss und werden wöchentlich gewartet. Außerdem wird das Kanalnetz regelmäßig mit einer Spezialkamera abgefahren, um Verkrustungen rechtzeitig zu erkennen und sie zu lösen. All unsere Mühe kann dem Müllberg im Rohr nicht trotzen.
21.30 Uhr: Nach 13 Stunden Quälerei surren alle vier Pumpen wieder. Wir haben drei Tonnen Müll aus den Pumpen gezerrt. Ein unnötiger Höllenakt.