Herr Hellmann, über was sprechen Sie lieber, über Trinkwasser oder übers Abwasser und warum?
Ehrlich gesagt ist für mich die Abwasserableitung, vor allem die Abwasserreinigung, interessanter. Die Trinkwasseraufbereitung ist aufgrund unserer hochwertigen Rohwasserressourcen verhältnismäßig einfach. Natürlich lauern auch dort Tücken, gerade wenn anhaltende Dürren die Wasservorräte schwinden lassen und gleichzeitig die Begehrlichkeiten wachsen. Wichtig ist es, die Wasserressource regional intelligent zu managen. Dazu gehört auch, dass das Abwasser top gereinigt werden muss.
Wie bewerten Sie die vielen Zweckverbandsfusionen, die zu sehr großen Verbänden geführt haben?
Gesetzlich sind Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung Aufgaben der Gemeinden, die dies an Dritte, wie die Zweckverbände, übertragen können. Gerade im ländlichen Raum macht es aus meiner Sicht Sinn, Aufgaben zu bündeln, denn stetig wachsende Anforderungen benötigen eine leistungsfähige Organisationsstruktur sowie Fachleute und Technik. Aber: Größe allein ist kein Garant für Qualität. Übergroße Verbandsstrukturen können durchaus auch Synergieeffekte umkehren.
Grundlage für eine stabile Wasserver- und Abwasserentsorgung ist eine moderne Anlageninfrastruktur. Was hat sich in den letzten Jahren getan? Wo hakt es?
Die gesamte Wasserwirtschaft hatte nach der politischen Wende großen Nachholbedarf. Im Bereich Trinkwasser war der Anschlussgrad mit dem heutigen vergleichbar, jedoch musste viel modernisiert werden. Beim Abwasser stand die zentrale Erschließung ab 1990 im Aufgabenheft der Zweckverbände, denn vor allem im ländlichen Raum gab es so gut wie kein Abwassersystem. Auf die Aufgabenträger kommt nun ein Strategiewechsel hinzu: der Wechsel von dem Bau der Anlagen zur Erneuerung. Und das kostet viel Geld.
Sind Gesetzgebungen dabei ein Problem?
Mit den seit über Jahrzehnten starren Gesetzlichkeiten konnten keine ausreichenden Rücklagen für diese Erneuerung erwirtschaftet werden. Diesen Knoten gilt es zu lösen: mit den Verwaltungen, der Landespolitik sowie mit den Bürgern. Wir brauchen eine Reform des Kommunalabgabengesetzes, damit Verbände Rücklagen für Investitionen bilden können. Und: Oberstes Ziel ist der Substanzerhalt, nicht die Gebührenstabilität.
Welche Aufgaben kommen langfristig auf die Verbände zu?
Die Nachhaltigkeit rückt immer mehr in den Fokus. Wer nutzt Wasser und wie? Wo fließt es lang, Rückhalt, Ableitung, Dürre oder Flut – überall bringt sich der Mensch ein. Um das System für nachfolgende Generationen zu erhalten, sind kluge Entscheidungen zum Schutz der Ressourcen gefragt. Unser Grundwasser, unsere Flüsse und Seen müssen langfristig bezüglich Menge und Qualität geschützt werden. Hierauf zielen verstärkt Verordnungen auf EU-, Bundes- und Landesebene ab. Die Branche ist eingebunden: Was sind notwendige, aber auch realistische Ziele und wie lässt sich das finanzieren? Die Wasserwirtschaft wird zunehmend ernst genommen und gehört. Die EU-Kommunalabwasserrichtlinie z. B. bewirkt u. a. bessere Reinigungsleistungen unserer Kläranlagen, die Einleitgewässer werden entlastet. Erstmalig wurde hierfür auch eine Herstellerverantwortung verankert. Es sind Technologien zu entwickeln und bautechnisch umzusetzen. Dafür braucht es Zeit und Investitionen.
Worauf liegt der Fokus im Bereich Trinkwasser?
In der Trinkwassereinzugsgebieteverordnung geht es darum, die Schutzgebiete und die genutzten Ressourcen für die Versorgung bestmöglich zu schützen. Jede Woche wird gefühlt ein neuer „Störstoff“ im Wasser analysiert und nach Wegen gesucht, den Eintrag in das Grund- oder Oberflächenwasser zu verhindern. Die Verordnung definiert ein einheitliches Risikomanagement im Einzugsgebiet der Wassergewinnung. Es gibt aber auch andere Themen: IT-Sicherheit, Energieeffizienz, Klimawandel, Demographie und Fachkräftemangel.
Was kann die Landesregierung tun, damit Trink- und Abwassergebühren auch zukünftig sozialverträglich kalkuliert werden können?
Die Wasserwirtschaft ist mit einem endlosen Marathonlauf zu vergleichen. Vergleichsweise dazu ist eine Wahlperiode ein Sprint. Wir brauchen verlässliche Regularien, die nicht in Legislaturen enden. Die Branche mahnt seit Jahren über den Wasserverbandstag Änderungsbedarf bezüglich der Gesetze zur Refinanzierung der Aufgaben an. Die neuen Anforderungen, wie die Energiewende oder der Klimawandel, bewirken eines: Der Wert des Wassers steigt, die Kosten für Trink- und Abwasser steigen, diese prognostizierten Kostenanstiege sind beängstigend. Die Zahlen liegen auf dem Tisch, aber es passiert nichts.
Wie kann das Fachkräfteproblem gelöst werden?
Es ist mittlerweile ein Kampf ums Personal, um die Wahrnehmung der Wasserwirtschaft in der Öffentlichkeit. Der WVT unterstützt seine Mitglieder mit Kampagnen. Die Branche versucht, sich attraktiv zu machen: mit Jobbörsen, Ausbildung und Dualem Studium. Aber es gilt auch, die Mitarbeitenden zum Bleiben zu motivieren: durch attraktive Rahmenbedingen wie z. B. Jobrad, flexible Arbeitszeiten und Bildungsurlaub. Auch die Tarifparteien erkennen, dass die Branche attraktiver werden muss.
Laut Statistik sind die Sachsen-Anhalter echte Wassersparer, denn sie verbrauchen rund 23 Liter Trinkwasser pro Tag weniger als der Bundesdurchschnitt. Welche Auswirkungen hat dies?
Ein sorgsamer Umgang ist mit jeder Ressource löblich. Sachsen-Anhalt kann den Trinkwasserbedarf gegenwärtig zu jeder Zeit sicher bedienen, auch in regenarmen Zeiten, in denen die Füllstände der Talsperren, Flüsse und Seen sinken ebenso wie das unsichtbare Grundwasser. Wir haben dieses System im Griff; noch. Problematisch kann es werden, wenn sprunghaft Bedarfe wie wasserintensive Industrieansiedlungen ansteigen oder Bedarfe wegbrechen – Stichwort Demographie. Übertriebenes Wassersparen kann der Abwasserwirtschaft Probleme bereiten, denn die Rohre werden nicht genügend ausgelastet und müssen häufiger gespült werden. Sachsen-Anhalt ist ein sehr trockenes Bundesland, wir müssen die Wasserbedarfe gut im Blick haben. Dabei hilft auch das neu gegründete Kompetenzzentrum Wasserwirtschaft.
Vielen Dank für das Gespräch.