Wasser Zeitung Online – Klartext-Interview mit OWA-Geschäftsführer Christian Becker

Wasser Aktuell

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Foto: SPREE-PR/Petsch

Klartext-Interview mit OWA-Geschäftsführer Christian Becker

Die Osthavelländische WASSER ZEITUNG fragte den OWA-Geschäftsführer Christian Becker über die Perspektiven der Versorgung mit Trinkwasser in der Region. Christian Becker ist seit 2021 Geschäftsführer der OWA (Falkensee) und Sprecher der Initiative Trinkwasserversorgung Metropolregion (ITM).

Herr Becker, immer wieder ist zu lesen, dass die Grundwasserreserven in Brandenburg perspektivisch nicht ausreichen. Könnte das Wasser knapp werden?

Für das Land Brandenburg lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Zu unterschiedlich sind die lokalen Grundwasserreserven und Nachfragen. Seit 2017 befasst sich die „Initiative Trinkwasserversorgung Metropolregion“ (ITM) mit der langfristigen Wasserversorgung. Ihr gehören die Berliner Wasserbetriebe und 19 an Berlin grenzende Wasserversorger an. Wir stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Zuzug, Ansiedlung von Unternehmen, teilweise wenig Wasser. Um Lösungen zu finden, müssen wir folgende Fragen beantworten: 1. Wie viel Wasser wird benötigt? 2. Was ist vorhanden? 3. Wieviel fehlt? 4. Wo fehlt es? Im ersten Schritt betrachteten wir die Bevölkerungsprognosen und errechneten den Wasserbedarf. Bis 2050 könnten bis zu 700.000 Menschen nach Berlin und ins Umland ziehen, einwohnermäßig würde die Metropolregion um mehr als die Stadt Leipzig wachsen. Unter Berücksichtigung der absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung ermittelte die ITM den Trinkwasserbedarf. In Brandenburg steigt er um 10 bis 20 Mio. m3, in Berlin um 20 bis 30 Mio. m3. Diesem Mehrbedarf müssen wir das sogenannte Dargebot gegenüberstellen, also die potenziell nutzbare Menge an Grund- und Oberflächenwasser.

Wasser nimmt keine Rücksicht auf Versorger- und Landesgrenzen. Hier beginnen die Probleme, denn leider kennen wir die Wasservorräte nicht. Es gibt keine überregionale Erfassung des Dargebots. Hier sind die Länder in der Pflicht. Mittlerweile wird – auch durch Einwirken der ITM – eine entsprechende Modellierung bearbeitet, die voraussichtlich drei Jahre dauert. Aktuell ist Punkt 2 also die drängende Hausaufgabe. Abzusehen ist, dass in einigen Regionen um Berlin das Wasser knapp werden könnte. Möglicherweise muss es irgendwann auch „importiert“ werden. Durch die Ansiedlung von Tesla rückten die begrenzten Wasservorräte in den Fokus der Öffentlichkeit, nicht nur östlich von Berlin.

Ich möchte die zeitliche Dimension erläutern: Allein die Erkundung neuer nutzbarer Grundwasservorkommen dauert fünf Jahre. Es folgt eine ähnlich lange Genehmigungs- und Planungsphase. Bis neue Wasserwerke und Leitungen gebaut und am Netz sind, sind etwa zehn Jahre vergangen. Deshalb ist es so wichtig, in die Gänge zu kommen. Die Diskussion um Tesla gibt uns hoffentlich etwas Rückenwind. Von Spekulationen, aus welcher Wasserader von Elbe über Oder bis hin zur Ostsee die Metropolregion zukünftig versorgt werden muss, halte ich heute wenig.

Wie wirken sich das Klima beziehungsweise die Trockenheit der letzten Jahre auf das
Grundwasser aus?

In den Wasserwerken der OWA fördern wir ausschließlich Grundwasser. In unserer Region gibt es mehrere Grundwasserleiter, die durch Bodenschichten voneinander getrennt sind. Der oberste Grundwasserleiter hat dabei in der Regel „direkte Verbindungen“ zu den Oberflächengewässern. Er ist oft erheblichen Schwankungen unterworfen, wie man in den letzten Jahren an den Wasserständen der Flüsse und Seen erkennen konnte.

Wir fördern unser Wasser aus tieferliegenden Schichten zwischen 30 und 120 m Tiefe, dem sogenannten zweiten oder dritten Grundwasserleiter. Hier bildet sich das Grundwasser nicht direkt nach einem Regen neu, sondern es dauert sehr viel länger, bis das Wasser in tiefere Lagen sickert. Tieferliegende Grundwasserleiter sind deshalb mehr von der langfristigen Entwicklung beeinflusst als von einem einzelnen Hitzesommer.

Wenn es allerdings fünf Jahre in Folge unterdurchschnittlich regnet, wirkt sich das auch hier aus. Andererseits registrieren wir in den letzten Jahren eine Verlagerung von Niederschlägen in die Wintermonate. Über die langfristigen Auswirkungen dieser Verschiebung auf tiefere Grundwasserleiter gibt es noch keine verlässlichen Datengrundlagen.

Was bedeutet das konkret für die OWA und die Wasserversorgung im Havelland und Oberhavel?

Bei der Betrachtung unterscheide ich, welche Aspekte wir als Wasserversorger selbst gestalten können und welche nicht. In unserer Hand liegen die Kapazitäten der Wasseraufbereitung und -verteilung. Hier hat die OWA unter meinem Vorgänger Günter
Fredrich ihre Hausaufgaben bestens gemeistert. Wir unterhalten ein Verbundnetz zwischen den Hauptwasserwerken in Staaken und Hennigsdorf, in das außerdem die kleineren
Wasserwerke Pausin und Flatow einspeisen. Im Wasserwerk Staaken wurde die Aufbereitung 2010 erneuert. Das Wasserwerk Hennigsdorf erhielt in den vergangenen zehn Jahren zwei große Trinkwasserspeicher. Dank der grundsanierten Trinkwasseraufbereitung stieg die Trinkwasserqualität noch einmal deutlich, vor allem in den Paramatern Eisen und Mangan. Das Verteilnetz wurde sukzessive erneuert bzw. höher dimensioniert. Nicht beeinflussen können wir die für uns nutzbaren Grundwasservorkommen. Langfristig gesicherte Entnahmemengen gibt es für das Wasserwerk in Hennigsdorf.

Für das Wasserwerk in Staaken befinden wir uns seit 2016 in einem noch laufenden Bewilligungsverfahren. Dort werden wir weniger fördern dürfen, das ist bereits sicher; wieviel ist jedoch ungewiss. Wir ermittelten in Staaken Vorkommen, die auch bei wachsendem Bedarf eine sichere Versorgung mit einer angemessenen Kapazitätsreserve ermöglichen. Insofern gehe ich auch zukünftig von einer sicheren Wasserversorgung aus.
Dennoch: Käme in unserem Versorgungsgebiet ein Wasserverbraucher der Größenordnung Tesla hinzu, wäre die Kapazitätsreserve mit einem Schlag verbraucht. Wir stünden vor den gleichen Problemen wie das östliche Umland. Ebenfalls nicht beeinflussen können wir die behördlichen Auflagen zum Wassersparen. In den vergangenen Sommern verfügten einige Landkreise zeitlich befristete Sprengverbote. Angesichts der aktuellen Diskussion und ähnlichen Sommern wie in den vergangenen fünf Jahren dürfte sich das wiederholen.

Viele Grundstücksbesitzer bewässern ihre Gärten aus eigenen Brunnen. Wie wirkt sich das auf den Wasserhaushalt aus?

Die Gartenbrunnen ziehen ihr Wasser aus oberflächennahen Grundwasserleitern in maximal 10 Meter Tiefe. In unseren Wasserwerken entnehmen wir Grundwasser aus Tiefen zwischen 30 und 120 Metern. Die Grundwasserschichten sind untereinander nicht direkt verbunden. Sie beeinflussen sich aber indirekt, weil das entnommene Wasser nicht für eine Grundwasserneubildung in tieferen Schichten zur Verfügung steht. Prinzipiell macht ein Gartenbrunnen das vorhandene Grundwasser für Pflanzen nutzbar. Es wird quasi an der gleichen Stelle entnommen und wieder eingeleitet, abzüglich dem, was die Pflanze braucht.

Was hat es mit der hiesigen Wasserhärte und dem Eisengehalt des Trinkwassers auf sich?

Das Wasser von unseren großen Wasserwerken Staaken und Hennigsdorf ist „hart“. Hartes Wasser steht für einen hohen Gehalt an Calcium und Magnesium. Die Härte bezeichnet eine Eigenschaft des Wassers, sie ist kein Qualitätsproblem. Eine Reduzierung der Wasserhärte im Werk würde nicht nur hohe Kosten verursachen, man müsste auch gravierend in die Wasserchemie eingreifen. Kaum ein deutscher Wasserversorger entcarbonisiert hartes Wasser im Werk. Die unliebsamen Auswirkungen wie Kalkflecken und Verkalkung treten mehrheitlich mit warmem Wasser auf. Hauptsächlich wird Leitungswasser aber kalt genutzt.

Die vermeintlich hohen Eisengehalte, die übrigens immer unter den Grenzwerten lagen, gehören seit den sanierten Wasseraufbereitungen in den Wasserwerken Staaken und Hennigsdorf der Vergangenheit an. Jedoch kann es bei hohen oder stoßartigen Wasserabnahmen – etwa bei Feuerwehreinsätzen oder wenn gleichzeitig Pools gefüllt oder Gärten gewässert werden – zu leichten Druckstößen im Netz kommen. Dabei können sich Teile der Inkrustationen lösen und mitgeschwemmt werden, die das Wasser leicht verfärben.

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Wasser Zeitung Online – Novellierung der Kommunalabwasserrichtlinie: Wie weit muss das Verursacherprinzip reichen?

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Novellierung der Kommunal­abwasser­richtlinie: 
Wie weit muss das Verursacher­prinzip reichen?

Ein Beitrag von Klaus Arbeit, Projektleiter der WASSER ZEITUNG

Menschliches Handeln zieht Konsequenzen nach sich. Eine simple Wahrheit. Dass wir uns dieser Gesetzmäßigkeit nicht entziehen können, beweist uns das Klima in zunehmender Dramatik. Leugnen ist zwecklos. Bleibt die Frage, wie wir den unangenehmen Konsequenzen begegnen. Je nach Parteifarbe werden verschiedene Optionen in die Diskussion eingebracht: Verzicht, sparen, neue Technologien. Einig sind sich wohl alle vernünftigen Stimmen darin, dass nur eine Option auszuschließen ist – nichts zu tun.

Dass durch den Klimawandel Missstände ins Bewusstsein rücken, kann die Siedlungswasserwirtschaft nur begrüßen. Seit vielen Jahren mahnen ihre Branchenverbände, die mehr als 10.000 Kläranlagen in Deutschland nicht als Reparaturbetrieb der Gesellschaft zu missbrauchen. Ihrem Auftrag gerecht zu werden – die gefahrlose Einleitung des umweltgerecht geklärten Abwassers in die Vorfluter – erfordert wachsenden Aufwand. Denn in der Kanalisation landet weit mehr, als es im „Sinne des Erfinders“ ist. Nutzen Sie gerne einen „Tag der offenen Tür“ auf Kläranlagen, Sie werden über die immense Reichweite des Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn ins Staunen geraten. Die mechanische Reinigungsstufe (Rechen) entfernt auch „groben Unfug“. Und nach biologischer (Sauerstoffzufuhr) und chemischer Abwasserreinigung (Stickstoff und Phosphor eliminieren) erfüllt das Klärergebnis die gesetzlichen Vorgaben.

Weg vom „Status quo“

Und wenn für Inhaltsstoffe noch gar keine Vorgaben existieren? Wie steht es denn um Arzneimittel, Kosmetikreste oder Mikroplastik auf den Kläranlagen? Das von der WASSER ZEITUNG um Infos gebetene Labor winkt ab: „Diese Parameter sind derzeit noch nicht gesetzlich geregelt.“ Es ist jedoch unbestritten, dass viele Arzneimittelwirk- und andere Spurenstoffe durch die vorhandene Klärtechnik nicht vollständig aus dem Abwasser entfernt werden. Das Umweltbundesamt berichtet seit Jahren von einer zunehmenden Belastung der Gewässer mit Arzneimittelrückständen.

Kein Wunder: Die meisten Wirkstoffe werden vom Körper zumindest teilweise unverändert ausgeschieden. Also, was tun? Verzicht – unmöglich. Neue Technologien – denkbar. Die sogenannte vierte Reinigungsstufe entfernt Spurenstoffe per Ozonierung oder Aktivkohle-Filtration. Doch das hieße ein Festhalten am Status quo: Die Kläranlagen „biegen gerade“, was andere verursachen. Warum nicht die Verursacher haftbar machen?

Arzneiverbrauch steigt

Genau das will die laufende Novellierung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie erreichen: eine „erweiterte Herstellerverantwortung“, also die Probleme ab der Quelle schädlicher Einträge anpacken. Im Archiv der WASSER ZEITUNG können wir weit zurückblättern, um diese Forderung der Branche zu finden. Eine Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) aus dem Jahr 2017 besagte, dass die Überalterung der Gesellschaft und der steigende Pro-Kopf-Verbrauch zu einem Anstieg des Medikamentenbedarfs um bis zu 70 Prozent bis 2045 führen. Die Hersteller seien deshalb gefordert, umweltschädliche Wirkstoffe nach Möglichkeit zu ersetzen. Dazu könnten sie nun von Brüssel gezwungen werden. Und mehr noch. Die Pharmaindustrie soll sich finanziell am Bau vierter Reinigungsstufen – zur Entfernung sogenannter Spurenstoffe – beteiligen, abhängig von der „Quantität und Toxizität“ der angebotenen Produkte.

Zustimmung und Kritik

Das trifft unter anderem beim Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) auf Zustimmung. „Nicht zuletzt wird dadurch auch ein Anreiz gesetzt, eine möglichst nachhaltige Produktentwicklung und Produktion zu priorisieren“, erläutert Dr. Verena Riedl, Teamleitung Biodiversität, wie die Einträge deutlich reduziert werden müssten, um Ökosystem sowie das Trinkwasser zu schützen. „Der Gesetzgeber sollte daher auch Maßnahmen ergreifen, um das Verbraucherbewusstsein für Umweltwirkungen zu schärfen sowie diese Auswirkungen schon bei der Zulassung von Arzneimitteln stärker zu berücksichtigen.“ Auf Anfrage teilt uns der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) mit, die Bemühungen zur Verminderung des Spurenstoffeintrags in die Umwelt bereits seit Jahren zu unterstützen. Den aktuellen Plänen zur Überarbeitung der Kommunalabwasserrichtlinie trete man allerdings „entschieden entgegen“. Begründung: Der Eintrag von Spurenstoffen in Gewässern unterliege unterschiedlichen Kausalketten, es kämen verschiedene Verursacher in Betracht.

Was von der Novellierung am Ende übrig bleiben wird?
Wir berichten!

Prof. Uli Paetzel, Präsident der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA)
Foto: David Ausserhofer

PRO
Nicht auf Pharma und Kosmetik beschränken

„Die in der Novellierung der Kommunalabwasserrichtlinie vorgesehene erweiterte Herstellerverantwortung nimmt eine seit Jahren bestehende Forderung der Wasserwirtschaft auf und findet die vollumfängliche Zustimmung der DWA. Sie nimmt die Pharma- und Kosmetikindustrie in die Pflicht, setzt das Verursacherprinzip um und beinhaltet eine Lenkungsfunktion in Richtung umwelt- und wasserfreundlicherer Arzneimittel und Kosmetika. Allerdings sollten sich die Regelungen nicht auf die Pharma- und Kosmetikindustrie beschränken, sondern auf weitere chemische Stoffe ausgeweitet werden. Die DWA wird sich daher in den kommenden Monaten in Berlin und Brüssel intensiv dafür einsetzen, dass die erweiterte Herstellerverantwortung vollumfänglich in die finale Fassung der Novellierung eingeht und der Entwurf hier nicht auf Druck der Pharma- und Kosmetikindustrie entscheidend aufgeweicht wird.“

BU: Im Podcast der WASSER ZEITUNG (deezer, spotify uam.) erklärt Marten Eger, technischer Geschäftsführer der LWG Cottbus, wofür eine vierte Reinigungsstufe wichtig ist.
Foto: SPREE-PR / Petsch

KONTRA
Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

„Eine einseitige finanzielle Belastung pharmazeutischer Unternehmen zur Umsetzung des Verursacherprinzips ist aus unserer Sicht nicht sachgerecht. Grundsätzlich machen Arzneimittelwirkstoffe nur einen geringen Anteil aller registrierten chemischen Stoffe aus und werden auch nur in geringeren Mengen eingesetzt. Obwohl Mikroverunreinigungen nachweisbar durch viele unterschiedliche Stoffgruppen hervorgerufen werden, ist nicht nachvollziehbar, warum die pharmazeutische Industrie einseitig zusätzliche Kosten tragen soll. Im Rahmen des Verursacherprinzips müssen alle verantwortlichen Verursacher einer Umweltbelastung die Kosten für deren Vermeidung oder Beseitigung tragen. Gesundheitsschutz ist folglich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ein ebenso gesamtgesellschaftlicher Ansatz zur Finanzierung einer 4. Reinigungsstufe ist daher zielführender, so wie ihn etwa die Schweiz verfolgt.“

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