Herausgeber: Wasser- und Abwasserverband Rathenow
Herausgeber: Wasser- und Abwasserverband Rathenow
Auf dem Weg des Abwassers Richtung Kläranlage kann ihm eine gewisse Menge Wärmeenergie entzogen und – über Wärmetauscher und Wärmepumpe – zur dezentralen Wiederverwendung aufbereitet werden.
Grafik: SPREE-PR/G. Schulze
Unser Wasser: zum Trinken, Waschen – und Heizen!
Wasserwirtschaft bringt sich bei der kommunalen Wärmeplanung ein
Der Countdown läuft auch in Brandenburg. Alle Kommunen müssen bis Mitte 2028 die vieldiskutierte Wärmeplanung vorlegen. Anhand dessen sollen Bürgerinnen und Bürger etwa entscheiden können, ob der Anschluss an ein Fernwärmenetz für sie sinnvoll und überhaupt möglich ist. Oder ob sie eine individuelle Lösung brauchen. Beim Thema Wärme kommt – für manchen überraschend – auch die Siedlungswasserwirtschaft ins Spiel.
Nördlich der Hafenstraße von Frankfurt (Oder) reihten sich zu DDR-Zeiten Industrie und Gewerbe dicht aneinander: Schlachthof, Betonwerk, Seifen- und Gummiwerk, Zuckerfabrik. Mehrere Flächen lagen lange brach. Das Gelände der ehemaligen Wäscherei und des VEB Oderfrucht erwacht gerade aus seinem Dornröschenschlaf. Als Quartier „Nördliche Hafenstraße“ sollen hier 330 Wohneinheiten entstehen. „Für das Thema Wärmeversorgung haben wir eine Machbarkeitsstudie erstellt und alle Möglichkeiten vorbehaltlos in Betracht gezogen“, erzählt uns Eileen Kühl, Projektverantwortliche bei den Stadtwerken Frankfurt (Oder). „Die Investoren waren explizit auf der Suche nach klimaneutralen Lösungen und haben sich die Umgebung genau angesehen.“ Nur wenige hundert Meter entfernt befindet sich die Kläranlage der FWA Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft mbH. Und siehe da: Eine Wärmenutzung des Schmutzwassers hätte das größte Potenzial.
Partner auf Augenhöhe
Fast 1 Megawatt thermische Energie könnte die Kläranlage liefern und damit sozusagen die Wärmegrundlast (Hauptwärmequelle) des Quartiers werden. Ans Fernwärmenetz würde es trotzdem angeschlossen, um Redundanzen zu haben und Spitzen abzudecken.
„Jetzt nehmen wir die konkreten Planungen vor“, berichtet Eileen Kühl vom Stand der Dinge.
„Für den Transport der Wärme vom Wärmetauscher auf der Kläranlage brauchen wir ein eigenes Leitungssystem mit entsprechender Isolierung, Vor- und Rückleitung, und dann eine Wärmepumpe, die unsere Ressource auf das nötige Wärmeniveau bringt.“
Die Zusammenarbeit mit dem kommunalen Abwasser-Partner FWA loben die Stadtwerke ausdrücklich. „Es ist toll, miteinander auf Augenhöhe zu arbeiten und als ob man der Kollege im Nachbarbüro wäre. Wir sind mit den sprichwörtlich offenen Armen empfangen worden“, so Eileen Kühl, „wir gehen mit unseren Ideen aufeinander zu und checken gemeinsam die Möglichkeiten.“
Ein Gebot der Zeit
Die ersten Wohnblöcke in der „Nördlichen Hafenstraße“ dürften zum Jahreswechsel bezugsfertig sein, ihre Vermietung ist für das Frühjahr 2025 vorgesehen. Im Sommer 2025 sollen die Bauarbeiten auf der Kläranlage Frankfurt (Oder) abgeschlossen werden und die Wärme (ab‑)fließen.
Darauf freut sich neben den Stadtwerken genauso der Eigentümer des Areals.
„Wenn wir über die Versorgung unserer Bevölkerung mit erstklassigem Trinkwasser und die umweltgerechte Entsorgung der Abwässer hinaus noch zur kommunalen Daseinsvorsorge beitragen können, tun wir das natürlich ausgesprochen gerne“, so Dipl.-Ing. Gerd Weber, Geschäftsführer der FWA Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft mbH. „Es ist auch für uns ein Gebot der Zeit, für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen sämtliche wirtschaftliche Möglichkeiten klimaneutraler Energie- und Wärmeversorgung zu unterstützen. Und genau darum geht es bei dem Projekt der Stadtwerke auf der FWA-Kläranlage: unserem geklärten Abwasser vor der Einleitung in die Vorflut noch wertvolles Potenzial zu entnehmen.”
Eine „Gemeinschaftsaufgabe“
Dass man das Wärmepotenzial von Abwasser auf sinnvolle Weise heben kann, ist in Deutschland bei Weitem nichts Neues. „Ob es aber insgesamt sogar 10 Prozent der Wärmeleistung erbringen kann, wie es ältere Theorien nahelegen, das halte ich für zu hoch gegriffen“, meint Dipl.-Ing. (FH) Mike Böge, Geschäftsführer des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e. V. und Mitglied im Fachausschuss Abwasser-Wärmenutzung der DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, im neuen Podcast der WASSERZEITUNG. „Ja, Abwasser ist eine charmante Wärmequelle für eine Wärmepumpe. Es schlägt die oberflächennahe Geothermie, die sehr schwanken kann, und die Luft-Wärme-Pumpe sowieso.“
Mike Böge kann aus seiner Erfahrung nur dazu raten, das Abwasser-Wärmepotenzial als dezentrale Lösung unbedingt zu nutzen. „Da, wo es Sinn ergibt“, fügt er ausdrücklich hinzu. Und man sollte es als kommunale Gemeinschaftsaufgabe der kommunalen Energie- und Wasserwirtschaft anpacken. So wie in Frankfurt (Oder).
Klaus Arbeit, Projektleiter WASSERZEITUNG Brandenburg
Kommentar
Die Grenzen zwischen Wasser- und Energieversorgung verschwimmen. Auch jedes kommunale Unternehmen der stromintensiven Wasserwirtschaft, das mit Vernunft und Weitsicht arbeitet, erzeugt heutzutage Energie – in der Regel für den weitgehend netzautonomen Betrieb seiner Anlagen. Doch die Verantwortung für regionale Nachhaltigkeit reicht mittlerweile weit darüber hinaus. In den Rathäusern schauen die für die kommunale Wärmeplanung Verantwortlichen nun genauer hin. Und erkennen zunehmend das schlummernde Potenzial im Untergrund. Frankfurt (Oder) ist ein gutes Beispiel. Dem Wunsch nach dezentralen Lösungen mit kurzen Leitungswegen können gerade Abwasseranlagen – Hauptsammelbehälter wie Kläranlagen – auf perfekte Weise gerecht werden. Wir sehen einmal mehr: In der Wasserwirtschaft steckt unglaubliche Innovationskraft. Über dem unveränderlichen Aufgabenfundament – Trinkwasserherstellung und Abwasserentsorgung – entwickeln sich die Fachleute für unser Lebensmittel Nr. 1 zu wahren Wassermanagern. Das wirkt sich unmittelbar auf die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie die Karrieremöglichkeiten aus.
Überzeugen Sie sich davon anhand der Angebote in unserer neuen WASSER JOBBÖRSE auf www.wasserzeitung.info. Einer unserer Herausgeber sprach jüngst von Talenteschmieden, in die sich die Unternehmen der kommunalen Wasserwirtschaft verwandeln. Ja, verwandeln müssen! Wenn Sie für Ihre berufliche Karriere auf Wasser setzen, ist eines sicher: Ihr Wissen bleibt in stetem (Zu-)Fluss!