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Glasfaserausbau: Verbände schlagen Alarm

„Unsere Infrastruktur wird zerstört“

Der Glasfaserausbau wird überall massiv vorangetrieben. Was als notwendige und mancherorts überfällige Maßnahme begrüßt wird, sorgt vielerorts für Ärger.

Grafik: pixabay

Wenn Kabel mit einer Erdrakete in die Erde gebracht werden, kann es zu ­Havarien kommen. Wie in Staßfurt, wo eine Trinkwasser­leitung durchschossen wurde.
Foto: WAZV Bode-Wipper

In den Straßen aller Kommunen befinden sich Medienträger. Strom- und Gasleitung teilen sich ganz oder abschnittsweise die Trassen mit Trinkwasserleitungen, Abwasserkanälen und Kabeln für Telekommunikation. Wo was liegt, wird genaustens dokumentiert. Kommt ein Element dazu oder muss repariert werden, müssen Abstände und Tiefen eingehalten werden. Da dies der Standard ist, stehen die Wasserversorger und Abwasserentsorger in Sachsen-Anhalt den Vorgängen beim Glasfaserausbau fassungslos gegenüber.

„Die Firmen haben da einfach losgebuddelt“, sagt Stephan Sterzik, Verbandsgeschäftsführer des AZV Wipper-Schlenze. Schachtscheine, die über bestehende Leitungen informieren, werden oft nicht eingeholt, Kabel dennoch in die Erde gebracht. Dies geschieht auf zwei Arten. Bei der offenen Bauweise werden Straßen oder Fußwege geöffnet und Kabel hineingelegt. Bei der geschlossenen wird gebohrt und mit einer Erdrakete das Kabel durch den Boden geschossen.

Lauter Schäden

Eine solche Rakete traf in Borne bei Staßfurt ein Hauptkabel der Straßenbeleuchtung. „Da war es dann für einen längeren Zeitraum zappenduster“, erzählt Andreas Beyer, Verbandsgeschäftsführer des WAZV Bode-Wipper. Beyer kann von noch mehr Ärgernissen berichten. Wie etwa zerschossenen Trinkwasserleitungen. Auch ein Abwasserkanal wurde getroffen.  „Das merkt die Erdrakete nicht“, so Beyer. Da könne man nur hoffen, dass mal keine Gasleitung getroffen wird.

Dies sind „Glücksfälle“, da Schäden schnell bemerkt wurden. Thomas Giffey, Geschäftsführer des WAZV Jessen, befürchtet, dass Schäden an Abwasserkanälen sowie Hausanschlüssen erst Jahre später durch Verstopfungen oder durch Kamerabefahrung festgestellt werden können. Verantwortliche sind dann nicht mehr greifbar. Markus Hänsel, Technischer Leiter des WAZV Saalkreis, berichtet, dass keine Bestandsdokumentation hinterlassen oder Mindestabstände eingehalten werden. „Die legen ihre Leitungssysteme auf unsere, sodass wir in Zukunft Probleme haben werden dranzukommen“, so Hänsel. Oder es könnte zu Schäden an den Glasfaserkabeln bei Baumaßnahmen kommen.

Keine Absprachen möglich

Selbst wenn das Verlegen ohne Schaden verlaufe und Abstände stimmen, werden Straßendecken und Fußwege beschädigt. Sinnvolle Absprachen funktionieren selten. Straßen werden aufgerissen, nachdem eine Decke gerade geschlossen wurde. Der Idealfall, bei dem an bereits durch Baumaßnahmen offenen Straßen Hand in Hand gearbeitet wird, findet in den seltensten Fällen statt. Meist würden die Firmen nicht in offener Weise wie die Verbände bauen, sondern lieber bohren. „Wenn Gehwege oder Straßen dann unterspült sind, sind die Firmen nicht mehr greifbar. Wir bleiben auf den Kosten sitzen“, so Mario Pöschmann, Vorstand der Abwasserbeseitigung Weißenfels-AöR.

Im Saalkreis wurde ein Verteilerschrank ­direkt auf eine Trinkwasserleitung gesetzt. Das Ergebnis war ein Rohrbruch.
Foto: WAZV Saalkreis

Um günstig und schnell arbeiten zu können, heuern die beauftragten Firmen meist Subunternehmer aus dem Ausland an. „Oft sind die Leute der deutschen Sprache nicht mächtig“, erzählt Sterzik, sodass ein Austausch nicht stattfinden könne. „Die Sprachbarriere ist ein Problem“, bestätigt Hänsel. Die Kollegen aus den anderen Verbänden haben ähnliche Erfahrungen gemacht.

Es geht auch anders

Es kann auch etwas bedachter verlaufen, wie etwa in Bad Dürrenberg. Zwar tauchen auch da Probleme auf, aber, so berichtet Martin Dobischok, Technischer Leiter des ZWA Bad Dürrenberg, gäbe es Faktoren, die größere Ärgernisse vermeiden. So sei die Stadt sehr hinterher, den Ausbau mit wöchentlichen Bauplanungssitzungen zu begleiten. Eine nicht immer akkurat schießende Erdrakete sei bisher nur selten zum Einsatz gekommen. Das größte Problem sei, dass Straßendecken nicht ordentlich verschlossen werden. Auch dort wundere man sich über die Freiheiten der Firmen. Ob Arbeitsschutz, Baustellensicherung oder verkehrsrechtliche Anordnungen – die sonst üblichen Vorschriften scheinen nicht zu greifen. „Es läuft alles ein bisschen wild“, sagt Dobischok.

Beyer schlägt auch deshalb Alarm, weil noch lange nicht alle Glasfaserkabel in der Erde sind. „Hier wird unsere Infrastruktur zerstört.“

Das Ziel in Sachsen-Anhalt: 100 Prozent Gigabit bis 2030

An sich ist der Glasfaserausbau von allen Seiten gewollt. Die Gigabitstrategie 2025–2030, wie das Land Sachsen-Anhalt den Ausbau von Mobilfunk und Glasfaser auf s­­einer Webseite bezeichnet, soll bewirken, dass bis 2030 alle Haushalte ans Glasfasernetz angeschlossen werden können und die Gigabitquote erreichen. Das würde den Zugang zum Internet mit einer Downloadrate von 1.000 Mbit pro Sekunde für alle sicherstellen. Um das ambitionierte Ziel durchzusetzen, nutzt Sachsen-Anhalt laut der Landeswebseite rund 30 Unternehmen vom regionalen Anbieter für Telekommunikation bis zum Weltkonzern.

Dies sei eine „Erfolgsgeschichte durch eigenwirtschaftlichen Ausbau“. Die Strategie „weiße Flecken“, Gebiete, die noch kein „schnelles“ Internet haben, zu entfernen, klingt beim Ministerium für Infrastruktur und Digitales einfach und optimistisch. Doch in der Praxis sorgt sie für Ärger und Schäden. Gerade im ländlichen Bereich steht ein großer Teil des Ausbaus noch bevor.

Ende 2024 lag in größeren ­Städten des Landes, wie Magdeburg oder Halle (Saale) sowie Stendal und Salzwedel die Quote bei über 80 Prozent. In Mansfeld-Südharz lag sie bei 32,7 Prozent, im Salzlandkreis bei 42,3 Prozent und Wittenberg bei 45 Prozent. Welche Orte genau wie viele Kilometer Glasfaser bereits in den Straßen liegen haben, ist in der Statistik des Ministeriums nicht aufgeschlüsselt.