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Brandenburg

Jedes Brötchen ist Handarbeit

Die Bäckerei Dorn in Wahrenbrück (Elbe-Elster) pflegt alte Traditionen und neue Ideen. Und so kann der mehr als hundert Jahre alte Familienbetrieb nicht nur mit ausgefallenen Brotsorten, sondern auch mit dem ersten Brotsommelier Brandenburgs aufwarten.

Brot in den Geschmacksrichtungen Birne-Gorgonzola, Rotkohl-Walnuss, Grünkohl mit Knacker – ganz normal für Brotsommelier Paul Müller und Bäckermeister Stefan Dorn.
Fotos (2): SPREE-PR/Petsch

Paul Müller hat einen kräftigen Händedruck. Der Enddreißiger sprüht vor Energie, redet schnell und man merkt ihm nicht an, dass er seit 2 Uhr auf den Beinen ist. Jetzt, gegen halb elf, ist die Backstube schon wieder sauber und bereit für die Schicht am nächsten Morgen. Zeit also für einen Kaffee. Der Bäckermeister stammt aus dem nahen Finsterwalde, nach Lehre und Gesellenjahr wechselt er in eine Großbäckerei mit vielen Filialen in der Region, landet in der Abteilung Brot. Daraus erwächst seine große Leidenschaft. „Aber irgendwann hat mir das keinen Spaß mehr gemacht, ich wollte zurück in eine kleine Bäckerei, wo alles, jedes Brötchen, noch in Handarbeit gemacht wird“, erinnert er sich. Genau das findet Müller bei der Bäckerei von Stefan Dorn.

Seit gut zehn Jahren arbeiten die beiden zusammen und haben vor allem die Kunst des Brotbackens auf ein neues Niveau gehoben. Denn Paul Müller ist umtriebig: „Ich habe in einer Fachzeitschrift von der Ausbildung zum Brot-Sommelier an der Bundesakademie des Deutschen Bäckerhandwerkes Weinheim (Baden-Württemberg) gelesen und mich sofort beworben.“ Sein Chef unterstützt sein Vorhaben, stellt ihn für die Zeit der Seminare frei. Nach zehn Monaten darf sich Paul Müller Brot-Sommelier nennen – er ist der erste von inzwischen drei Brandenburger Bäckermeistern, die diesen Titel ganz offiziell und zertifiziert tragen. Inzwischen haben mehr als 250 Absolventen aus 14 Ländern diese weltweit einmalige Ausbildung absolviert, wobei Deutschland eindeutig der Hotspot ist. Kein Wunder bei mehr als 3.200 Brotsorten, die von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt wurden und denen mit dem 5. Mai sogar ein eigener Feiertag gewidmet ist.

Bei solch einer Vielfalt hält man Neuerungen kaum noch für möglich – aber weit gefehlt. B(r)otschafter Paul Müller gehen die Ideen nicht aus. An jedem Freitag gibt es eine besondere Kreation in Geschmacksrichtungen wie Birne-Gorgonzola, Rotkohl-Walnuss, Grünkohl mit Knacker. „Wir probieren immer wieder etwas Neues aus. Dieses Jahr gab es zu Himmelfahrt ein deftiges Matjes-Gurke-Zwiebel-Brot für den Tag danach“, schmunzelt Müller. Er arbeitet bei diesen Experimenten an seinen sensorischen Fähigkeiten: riechen, schmecken, tasten, sehen. Die müssen immer wieder trainiert werden, auch, um Wettbewerbe zu gewinnen. So wie den „Pro Agro Marketingpreis“ 2025, mit dem „Elbe-Elster-Apfelkorn“, einem Sauerteigbrot mit Apfelstücken.

Paul Müller ist aber nicht nur ein exzellenter Handwerksmeister und kreativer Geist, sondern auch selbstbewusst. 2022 klopft er im höchsten Haus des Staates an, im Bundespräsidialamt. Und präsentiert dem Küchenchef seine beeindruckende Palette an Brot und Brötchen. Seitdem beliefert die Bäckerei Dorn den Bundespräsidenten und dessen Gäste aus aller Welt mit immer neuen Überraschungen, die großen Anklang finden. Müller genießt die Anerkennung, aber er ruht sich nicht darauf aus. Im Moment denkt er über ein neues Projekt nach: „Ich würde gern Wasser auf sein Mineralgehalt hin überprüfen und dessen Auswirkungen auf Sauerteig.“

Eigentlich müsste er mit all diesen Aktivitäten ausgelastet sein. Aber weit gefehlt: Nachts zieht es den passionierten Jäger auf den Hochsitz oder die Alarmsirene ruft den Zugführer der örtlichen freiwilligen Feuerwehr zum Einsatz. „Letzten Sommer war es schlimm, da habe ich in einer Woche grade mal 20 Stunden geschlafen“, erzählt Müller, bevor er sich zum wohlverdienten Mittagsschlaf verabschiedet. Müde wirkt er dabei allerdings nicht.