Brandenburg
Die Stepenitz – Brandenburgs „wildester“ Fluss
In weichen Bögen fließt das Wasser durch grüne Auen und Wälder? So, wie es sich einst seinen Weg bahnte. Rund 84 km nach der Quelle im Nordwesten Brandenburgs mündet die Stepenitz bei Wittenberge in die Elbe. WZ-Redakteurin Anne Mücke besuchte das Flüsschen nahe Telschow – aus gutem Grund!

Klein, aber oho! WZ-Redakteurin Anne Mücke präsentiert eine der fleißigen Bachmuscheln aus der Stepenitz. Es gilt: Je mehr dieser Muscheln es in einem Gewässer gibt, desto sauberer sind sie.
Foto: SPREE-PR/Petsch
Vor etwa 3.000 bis 5.000 Jahren, in der sogenannten Bronzezeit, war die Stepenitz eine wichtige Verkehrsader im nördlichen und damals noch sehr unwegbaren Brandenburg. Darauf lässt jedenfalls der Fund eines Königsgrabes und einer großen Versammlungshalle aus dieser Zeit bei Seddin (Gemeinde Groß Pankow) schließen. Vielleicht haben Menschen schon damals den Fluss geformt, um mit ihren Schiffen besser voranzukommen.
Bereits im Mittelalter begradigten Menschen fast jeden Fluss in Brandenburg und versahen ihn mit Wehren, um das Wasser nutzen zu können – für das Betreiben von Mühlrädern oder den Transport von Holz per Floß. Unter Friedrich dem Großen ging es dann zunehmend um die Gewinnung von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Er ließ dafür die umgebenden Auenwälder trockenlegen. Die DDR verstärkte diese naturzerstörende Landgewinnung – mit erheblichen Folgen. Düngemittel aus intensiver Landwirtschaft verunreinigten das Wasser, Tier- und Pflanzenarten starben aus, und bei Hochwasser traten die Flüsse und Bäche in kürzester Zeit über die künstlichen Ufer, bedrohten die umliegenden Ortschaften.
Altarm nutzbringend reaktiviert
Heute gilt die Stepenitz als einer der wildesten und saubersten Flüsse Brandenburgs. Das liegt auch daran, dass der Mensch ihr nach und nach seine Freiheit zurückgibt und das gewaltsame Korsett zur Begradigung des natürlichen Flussbettes Stück für Stück wieder aufschnürt.
So geschehen in der Prignitz nahe des Ortes Tel-schow. Hier wurde im vergangenen Jahr ein 450 Meter langer Altarm der Stepenitz reaktiviert und der begradigte Teil sozusagen „abgeschnitten“. Jetzt kann der überwiegende Teil des Wassers wieder in großen Schwüngen gemächlich durch die angrenzenden dichten Auenwälder mäandern. Droht Hochwasser, fließt das Wasser auch über den stillgelegten begradigten Abschnitt ab, was die Flutwelle deutlich abmildert.
Eine von vielen positiven Auswirkungen der Fluss-Renaturierung, wie Projektleiter Michael Zauft von der Stiftung „NaturSchutzFonds Brandenburg“ erklärt. Die Stiftung arbeitet seit einigen Jahren an der Reaktivierung des natürlichen Flussbettes der Stepenitz. Zauft verweist auf große Erfolge: „Von der Auenlandschaft, die sich entlang des Altarmes wieder etablieren kann, profitieren viele Pflanzen und Tiere.“ Auch die Bachmuschel gehört dazu.
Eine unverzichtbare Schlüsselart
„Alle sechs Großmuschelarten in Brandenburg gelten als gefährdet, aber die Bachmuschel ist sogar vom Aussterben bedroht – und das europaweit“, sagt Zauft. Deshalb wird die Renaturierung der Stepenitz überwiegend aus EU-Mitteln von „LIFE Bachmuschel“ finanziert, einem Projekt speziell für Fließgewässer und angrenzende Lebensräume. „Die Bachmuschel ist eine sogenannte ‚Schlüsselart’ ,“ führt Michael Zauft aus, „man kann von ihrem Vorkommen und Zustand ablesen, wie es einem Fluss und seiner Umgebung geht, kann Verbindungen zu anderen Dingen herstellen.“ Denn die bis zu zehn Zentimeter große Bachmuschel benötigt nicht nur sauberes Wasser, sondern auch bestimmte Wirtsfische wie das Bachneunauge, die Groppe oder Elritze für ihre Vermehrung. Und je mehr Muscheln es in einem Gewässer gibt, desto sauberer ist es wiederum, denn die Schalentiere filtern feinste organische Schwebeteilchen aus dem Wasser.
„Wenn man also für Arten wie die Bachmuschel etwas macht, indem man zum Beispiel ein Fließgewässer wie die Stepenitz renaturiert, dann tut man gleichzeitig auch etwas für die angrenzenden Lebensräume wie Moore, Feuchtwälder oder Trockenrasen“, resümiert Michael Zauft.
Insofern haben sich die rund 500.000 Euro für die Wiederbelebung des Stepenitz-Altarmes bei Telschow auf jeden Fall rentiert und dazu beigetragen, dass die Stepenitz zur „Flusslandschaft 2024/25“ erklärt wurde.