Alles klar mit KARL? 2027 tritt die Kommunalabwasserrichtlinie in Kraft
Praktikable, unbürokratische Vorgaben gewünscht
Auch für die Abwasserentsorger in Mecklenburg-Vorpommern läuft die Zeit: Bis Mitte 2027 muss die neu gefasste Kommunalabwasserrichtline (KARL) der Europäischen Union – seit Anfang 2025 in Kraft – in nationales Recht umgesetzt werden. Schon heute üben sich die kommunalen Unternehmen der Branche alles andere als in stiller Geduld, wie unser Besuch in Bad Doberan verdeutlicht.

Frank Lehmann an der Kläranlage Bad Doberan, für die eine vierte Reinigungsstufe noch nicht vorgesehen ist.
Foto: SPREE-PR/Galda
Einerseits, so Frank Lehmann, Vorsitzender der KOWA MV, sei die KARL ein Meilenstein für den Gewässerschutz. Andererseits bedeutet sie auch einige Hausaufgaben. Es müssten zügig verbindliche Vorgaben für die dritte und die neue vierte Reinigungsstufe her und, bitte!, eine bürokratiearme Umsetzung der zu erwartenden Berichtspflichten.
Die kommunale Abwasserwirtschaft trägt mit ihrer Arbeit einen wesentlichen Teil zum Gewässerschutz bei. Allerdings gebe es noch viele andere Akteure. „Diese sind ebenfalls gefordert!“, sagt der Wasserfachmann und unterstreicht damit, dass es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt.
Zunächst „die Großen“
Insbesondere das Augenmerk auf die noch bessere Beseitigung von Stickstoff und Phosphor (3. Reinigungsstufe) sowie – für die meisten komplett neu! – Spurenstoffe, Arzneimittelreste und Mikroplastik (4. Stufe) aus dem Abwasser, wird die kommunalen Unternehmen herausfordern. Für die technische und bauliche Umsetzung gebe es einen konkreten Zeitplan. „Die neue Viertbehandlung wird es zwar auch für die meisten kleineren Anlagen bis 150.000 Einwohnergleichwerte geben, aber erst später als für die Großen avisiert.“ Schon heute gelten in Deutschland für den Ablauf von Kläranlagen im Vergleich mit anderen europäischen Ländern deutlich höhere Anforderungen, die zudem permanent überwacht werden. Frank Lehmann verdeutlicht: „In Deutschland müssen die Grenzwerte im Kläranlagenablauf in einer qualifizierten Stichprobe eingehalten werden – zu jedem Zeitpunkt des Tages! Anderswo genügt eine 24-Stunden-Mischprobe, also ein Mittelwert.“
Praktikable Lösungen gefragt
Mit der Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie rücken die Kläranlagen nun der wachsenden unsichtbaren Fracht zu Leibe, die unvermeidbar ist. Denn Arzneimittel werden vom Körper nicht komplett absorbiert, viele Kosmetikartikel wie Cremes und Schminke enthalten Mikroplastik – all das landet im Abwasser. „80 Prozent der Investitionskosten für die sogenannte vierte Reinigungsstufe und auch 80 Prozent der späteren Betriebskosten sollen von den Herstellern von Arznei- und Kosmetikprodukten getragen werden“, beschreibt Frank Lehmann das in der KARL verankerte Verursacherprinzip (Herstellerverantwortung). Er ist sehr gespannt auf – so der Wunsch! – eine praktikable Lösung, wie die Kläranlagen-Betreiber ihre finanziellen Ansprüche zeitnah und ohne überbordende Bürokratie geltend machen können. Am Ende des Tages gehe es für die kommunalen Verbände in MV um sehr viel Geld!
Freiwillige Leistungen
Unabhängig von der KARL sind die Abwasserbeseitigungspflichtigen in den letzten Jahren nicht untätig geblieben. Bereits im August 2018 haben Minister Dr. Till Backhaus und die Vorsitzenden der BDEW-Wasserwirtschaft MV und KOWA MV die gemeinsame Erklärung zur Verminderung der Phosphoreinträge aus öffentlichen Kläranlagen der Größenklassen 1 bis 3 (also einer Größe bis 10.000 Einwohnergleichwerte) in die Gewässer Mecklenburg-Vorpommerns unterzeichnet. Infolge dessen wurden bei einer Vielzahl von Kläranlagen freiwillig Anlagen zur Phosphorelimination nachgerüstet, bestehende Anlagen optimiert sowie Kläranlagen stillgelegt und das Abwasser zu Kläranlagen mit Phosphorelimination übergeleitet.
Causa Klärschlamm
Während die kommunale Abwasserwirtschaft die Detailvorgaben für KARL erwartet, um mit konformen Lösungen vor Ort loszulegen, gibt es noch eine weitere „Baustelle“: den Klärschlamm. Die verpflichtenden Vorgaben der Klärschlammverordnung von 2017 seien von einzelnen Verbänden kaum alleine lösbar. Manche haben die Entsorgung für sich allein ausgeschrieben und somit Sicherheit für einige Zeit. In Stavenhagen gibt es bereits eine Verbrennungsanlage, die einige Schlämme aufnehmen kann. Andere haben sich zur Klärschlammkooperation MV zusammengeschlossen, um die thermische Verwertung gemeinsam zu lösen. Die größte Herausforderung in diesem Bereich ist die Verpflichtung, das im Klärschlamm enthaltene Phosphor wieder verfügbar zu machen.