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Versickern gegen Hochwasser und Dürre

Immer mehr Fläche gilt in Deutschland als versiegelt. Weil dies den Wasserkreislauf ­negativ beeinflusst, gibt es seit einigen Jahren Bemühungen umzudenken und wieder zu entsiegeln. Das funktioniert auf vielen Wegen.

Wenn gebaut wird – egal ob Straßen, Gebäude oder Parkplätze – kann auf diesen Flächen Niederschlag nicht mehr so versickern wie auf Rasen oder im Wald. In Deutschland wurden im Jahr 2022 rund 5,2 Millionen Hektar solchen Siedlungs- und Verkehrsflächen zugerechnet. Dies entspricht 14,5 Prozent der Gesamtfläche des Landes. Etwa 45 Prozent davon sind versiegelt. Das heißt etwa 6,5 Prozent der Fläche Deutschlands ist bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt. Das Wasser kann hier nur abfließen, aber nicht mehr oder nur zu einem signifikant geringeren Maße versickern.

Breite Fugen sorgen dafür, dass zwischen den Pflastersteinen das ­Wasser wieder besser versickern kann und Wege dennoch befestigt bleiben.
Foto: LfULG

Dürre und Starkregen

Verstärkt durch die Klimaveränderungen mit langanhaltenden Dürrephasen sowie punktuellen Starkregen, statt regelmäßigem Landregen, hat dies gravierende Folgen. Wo nichts versickern kann, speichert der Boden kein Wasser. Die Grundwasserneubildung wird gestört. Kommt Regen geballt, kann das Wasser nicht so schnell abfließen, wie es vom Himmel fällt und die Wassermengen überlasten die Kanalisation. Selbst unversiegelte Böden verlieren in Dürreperioden an Versickerungsfähigkeit und können das Wasser nicht schnell genug aufnehmen. Überschwemmungen in Siedlungsgebieten fernab von Fließgewässern sind eine Folge. Jeden Tag kommen in Deutschland 52 Hektar für bauliche Nutzungen dazu. Das entspricht etwa 72 Fußballfeldern. In Sachsen waren es zwischen 2020 und 2023 im Mittelwert 4,3 Hektar pro Tag. Dies soll reduziert werden. Sachsen strebt eine Reduktion auf unter zwei Hektar pro Tag an. Bundesweit wurde das tägliche Ziel von unter 30 Hektar bis 2030 gesetzt.

Zurückhalten in Städten

Um die Situation zu entschärfen, beschäftigen sich Kommunen seit ein paar Jahren mit Entsiegelung. Es werden versiegelte Flächen wieder aufgebrochen und durch Oberflächen ersetzt, die einen besseren Versickerungsgrad trotz Bebauung haben, etwa indem sie durch Kiesschichten oder poröse Pflastersteine und breite durchlässige Fugen oder komplett entsiegelt und bepflanzt werden. So gibt es Projekte, um Wasser im städtischen Siedlungsbereich aufnehmen zu
können. Elemente solcher Schwamm­städte sind Gründächer, entsiegelte Innenhöfe, die bepflanzt und mit Rigolen, Zisternen oder Regentonnen bestückt werden, um bereits im Kleinen Regenwasser zurückzuhalten. Das gespeicherte Regenwasser steht Pflanzen zur Verfügung, sodass diese nicht mit wertvollem Trinkwasser während der Dürre gewässert werden müssen.

Mitbedenken beim Neubau

Derzeit liegt es an den Kommunen bei Neubebauung Elemente des Baurechts zu aktivieren. Oft werden sie durch die Kanalsysteme, die an ihre Grenzen stoßen, hier aktiv. Das Baurecht gibt noch keine verpflichtenden Richtlinien vor, hat aber bereits Vorgaben, derer sich Kommunen bedienen können. Ein Anreiz für Privatmenschen wie auch Firmen als Einleiter ist, dass die Niederschlagsgebühren durch Entsiegelung größerer Flächen positiv beeinflusst werden können. Denn: Wasser, das versickert, landet nicht im Kanal und auf der Kläranlage.

Auch Gitter zur Befestigung eines Parkplatzes können eine Lösung sein, um zuvor betonierte Flächen zu entsiegeln.
Foto: LfULG


„Jeder Quadratmeter zählt“

Marlene Pollok arbeitet beim sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) im Team Mitteldeutsches Revier des Kompetenzzentrums Klima, mit dem Einsatzgebiet der Landkreise Nordsachsen und Leipzig sowie der Stadt Leipzig. Ihre Arbeit unterstützt Kommunen, direkt vor Ort Ideen im Bereich Klimaanpassung zu entwickeln und umzusetzen.
Foto: LfULG
Warum ist es so mühsam Entsiegelung ­voranzutreiben?

Marlene Pollok: Wir sind schnell beim Thema Nutzungskonflikte. Wir wollen die Flächen oft unterschiedlich nutzen. Gerade in urbanen Gebieten ist der Flächendruck sehr hoch. Man muss genau gucken, wie dennoch Versickerung möglich ist. Wenn wir der Entwicklung der Neuversiegelung entgegenwirken wollen, müssten wir täglich mindestens in der gleichen Größenordnung entsiegeln. Das passiert noch nicht. Die Entwicklung läuft noch in die andere Richtung. Am Ende wird es die Summe machen. Weil jeder Quadratmeter zählt.

Was ist das Problem bei versiegelten Flächen?

Wir haben den Straßenbau und öffentliche Plätze, da kommt sehr schnell sehr viel Wasser im Niederschlagsfall zusammen. Durch die zunehmenden Starkregenereignisse wird das Problem so richtig sichtbar. Ich denke, dass man auch bei Privaten ansetzen muss. Aber die Kommunen sollten immer mit gutem Beispiel vorangehen. Bei öffentlichen Plätzen haben wir den Ideenwettbewerb. Da sieht man, dass der Wunsch vorhanden ist, etwas zu machen. Das Wasser ist zu kostbar, um es nur abzuleiten, teuer über die Kläranlage zu pumpen und aufzubereiten. Und dann müssen wir bei Dürre mit Trinkwasser wässern. Das können wir uns nicht mehr leisten. Wenn was kommt, müssen wir es zurückhalten und im Boden speichern. Wir müssen uns fragen, wo die Stellschrauben sind. Entsiegelung ist ein Baustein. Es ist ein kluges Haushalten mit der Ressource Wasser gefragt.

Für wie effektiv halten Sie solche Maßnahmen?

Wenn ich nicht die Hoffnung hätte, dass es in der Summe zumindest die Folgen abmildert, dann würde ich nicht mehr in diesem Bereich arbeiten. Das ist, was uns antreibt und motiviert. Es ist an vielen Stellen inzwischen das Bewusstsein da. Das macht Hoffnung. Wir müssen aber schneller werden. Das Zeitfenster wird immer kleiner. Je länger wir warten, desto teurer werden die Folgen.


Schulhof der Grundschule in Belgershain

Foto: LfULG

Bushaltestelle am Naunhofer Marktplatz

Foto: LfULG