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Foto-Montage: SPREE-PR/Petsch; privat

Brandenburg

Schulzendorfer verhüllte vor 30 Jahren den Reichstag

Robert Jatkowski liebt die Höhen – in jeder Hinsicht. Der ehemalige Kletterer hat viele Herausforderungen gemeistert. Die größte war ohne Zweifel die Verhüllung des Reichstags. Damit verwirklichte Jatkowski nicht nur eines der ambitioniertesten Projekte des Künstlerehepaares Christo und Jeanne-Claude, sondern verhalf einem gesamten Berufszweig zum Durchbruch.

Industriekletterer – das sind diejenigen, die an Fassaden, Brücken oder Windrädern arbeiten und dabei nicht auf Gerüsten stehen, sondern in Seilen hängen. Robert Jatkowski lächelt. Denn im wunderschönsten Bürokratendeutsch heißt das natürlich anders: „seilunterstütztes Zugangsverfahren“. „Klettern klingt für die Berufsbaugenossenschaft einfach zu sehr nach Abenteuer“, erklärt er die absurde, aber typisch deutsche Berufsbezeichnung. Seine Firma „Hi.work“ mit Sitz in Hoppegarten im Landkreis Märkisch-Oderland ist spezialisiert auf solche Höhenarbeiten, vor allem an Windkraftanlagen.

Doch angefangen hat alles mit einem geschichtsträchtigen Gebäude – dem Reichstag in Berlin. 1994 gab der Bundestag grünes Licht für das Vorhaben von Christo und Jeanne-Claude, den Reichstag zu verhüllen – von Kletterern.

Robert Jatkowski, der schon seit Jahren auf hohe Berge kraxelte, besserte zu dieser Zeit als sogenannter Fassadenkletterer die bröckligen Gründerzeitmauern im Prenzlauer Berg aus. Er fand das Vorhaben der Christos spannend, bewarb sich kurzerhand, gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Frank Seltenheim. Die beiden jungen Ostberliner bekamen den Auftrag. Sie dirigierten 90 Kletterer und 200 Montagehelfer, die das Reichstagsgebäude in nur einer Woche hinter 100.000 Quadratmetern des berühmten silbernen Stoffes verschwinden ließen.

„Ja, und dann wurden wir mehr oder weniger von unserem Erfolg eingeholt“, erinnert sich Robert Jatkowski. Gemeinsam mit Seltenheim gründete er noch 1995 die Firma Seilpartner und sorgte dafür, dass der Job des Höhenarbeiters in der Bundesrepublik offiziell anerkannt und damit legalisiert wurde. Seilpartner war an vielen spektakulären Bauprojekten beteiligt: am Airbuswerk in Finkenwerder, am Cargo-Lifter – dem heutigen Tropical Island, am Hauptbahnhof in Berlin und am ehemaligen Sony-Center am Potsdamer Platz. Die Firma blieb auch Christo und Jeanne-Claude verbunden und war in weitere Verhüllungsprojekte involviert – z. B. bei „The Gates“ im New Yorker Central Park oder bei den „Floating Piers“ auf dem Iseosee in Italien.

Die Firmengründer profitierten von ihrem Erfolg bei der Reichstagsverhüllung und blieben ihrem Kletterer-Image selbst bei Treffen mit großen internationalen Unternehmen treu: „Wir sind nicht im Anzug zu Vertragsverhandlungen hin, immer mit Jeans und Sweatshirt – betont anders halt“, beschreibt Robert Jatkowski ihr besonderes Erscheinen.

Vor zwei Jahren musste Seilpartner den angestammten Sitz im Prenzlauer Berg aufgeben. „Aufgrund der bekannten Problematik: Gebäude verkauft, Mieten hochgegangen“, zuckt Jatkowski die Schultern. Die Wege der beiden Gründer trennten sich. Er entschied sich, mit dem Windkraftbereich nach Brandenburg zu gehen. Der gelernte Bootsbauer hatte diesen Bereich schon 1996 aufgebaut: „Ich habe damals mitbekommen, dass die Rotor-Blätter aus demselben Glasfaser-Kunststoff sind wie die meisten modernen Boote. Da kannte ich mich aus. Und so waren wir weltweit die erste Firma, die mit Seiltechnik an diesen Windkraftanlagen gearbeitet hat.“

Er fühlt sich im Speckgürtel von Berlin inzwischen viel wohler als im Prenzlauer Berg. „Hi.work“ hat hier im Gewerbegebiet von Hoppegarten beste Bedingungen. Und privat ist Robert Jatkowski schon lange Brandenburger: Seit 20 Jahren lebt er gemeinsam mit seiner Frau in Schulzendorf. „Ich muss jetzt noch vielleicht zwei, drei Mal im Monat in die Stadt und bin immer froh, wenn ich wieder zu Hause bin.“