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Foto: SPREE-PR/Archiv

Was Sachsen-Anhalts Wasserwirtschaft bei der Novellierung des Straßengesetzes fordert

„Es geht uns um Fairness.“

Noch ist nichts beschlossen. Und noch hoffen die Wasserverbände darauf, dass ihre Belange gehört werden. Das Straßengesetz von Sachsen-Anhalt, gültig seit Juli 1993, soll verändert werden.

Der Gesetzentwurf zur Novellierung des Straßengesetzes befindet sich derzeit im Mitzeichnungsverfahren der Ministerien, danach wird dieser dem Kabinett vorgelegt. Wann die Gesetzesänderung beschlossen wird und in Kraft tritt, wird noch etwas dauern. „Nach hiesiger Schätzung sollte mit einer Verkündung der Gesetzesnovelle spätestens im ersten Quartal 2026 zu rechnen sein“, heißt es aus dem Ministerium für Infrastruktur und Digitales auf Anfrage der WASSERZEITUNG.

Mit den Änderungen im Gesetz sollen laut Ministerium vor allem Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infra­strukturmaßnahmen im Bereich Straße beschleunigt werden. Eine positive Sache, doch die Aufgabenträger der Abwasserentsorgung und deren Interessenverbände sind im Hinblick auf einen ganz bestimmten Para­graphen seit langem verärgert.

Wenn Regen auf die Straßen prasselt

Egal ob Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger, für uns alle ist es selbstverständlich: Wenn Regen auf die Straßen fällt, fließt er ab: In Entwässerungsgräben, durch Kanäle, hin zu Niederschlagswassereinleitstellen, zur Kläranlage oder direkt zu den Flüssen. Wer kümmert sich darum, dass Straßen nicht volllaufen, das Wasser nicht in Grundstücke läuft?

Die Kommunen sind grundsätzlich für die Niederschlagswasserbeseitigung innerorts zuständig, übertragen diese Pflichtaufgabe häufig an die Abwasserverbände der Region. Dort sitzen die Experten. Mit Wissen, Erfahrung und dem Einsatz von Technik wird das Regenwasser gelenkt und somit Hochwasser und Schäden verhindert.

Wenn zu hohe Kosten entstehen

Doch den Vertretern der Abwasserverbände geht es beim Straßengesetz um den Paragrafen 23 Absatz 5. Danach müssen sich Straßenbaulastträger, also Stadt, Land und Bund, die Straßen, Geh- und Radwege bauen und damit in die Anlage des Aufgabenträgers ihr Niederschlagswasser einleiten, an den Investitionskosten für Regenwasserkanäle beteiligen. Einmalig zum Zeitpunkt des Baus.

Schon dies ist angesichts leerer Kassen in vielen Gemeinden ein großes Problem und führt zur Verschiebung oder dem Ausbleiben von Investitionen. Auch beinhaltet dieser Investitionskostenanteil nur einen geringen Anteil an den Instandhaltungskosten, konsumtiver Anteil genannt, über lange Zeiträume hinweg. Denn Entwässerungsgräben, Kanäle, Schachtabdeckungen und Pumpen müssen immer wieder gereinigt, repariert oder erneuert werden. Wasser kann keine Umleitung nehmen.

Um das Abflusssystem intakt zu halten, braucht es Geld. Geld, das oft in Städten, Gemeinden und letztendlich beim Abwasserzweckverband der Region fehlt, wenn der konsumtive Anteil aus der Kostenbeteiligung des Straßenbaulastträgers aufgebraucht ist. Bereits mehrfach haben der Städte- und Gemeindebund sowie der Wasserverbandstag e. V. ihren Appell an das Ministerium für Infrastruktur und Digitales in Magdeburg gerichtet.

Wenn Verbände Alarm schlagen

„Der Ansatz, dass die Beteiligung der Straßenbaulastträger noch vor der Umsetzung der Baumaßnahme festgelegt wird, ist systembedingt ungeeignet und nicht akzeptabel. Zudem fehlen regelmäßig die Betriebskostenanteile über die gesamte Nutzungsdauer der Anlagen. Die Beteiligungen sind ‚Schätzungen‘ über einen Betrachtungszeitraum von etwa 60 bis 80 Jahren! Das ist weder seriös, noch fair, noch transparent“, sagt Frank Hellmann vom Wasserverbandstag e. V. „Das resultierende Kostendefizit müssen die Mitgliedskommunen aufbringen, obwohl es oftmals den Landkreisen oder dem Land zuzuordnen ist. Gefordert wird daher seit langem eine Änderung im Straßengesetz, bislang ohne Erfolg. Die Kassen sind überall stark strapaziert, aber darf deswegen der Schwarze Peter nach ganz unten durchgereicht werden? – Nein“, erklärt Hellmann.

Wenn die Wasserwirtschaft warten muss

Aus der Abwasserwirtschaft heißt es weiter, die Gesetzesänderung werde still und heimlich vollzogen. Auf welche Neuregelung können die Aufgabenträger hoffen? „Eine konkrete Aussage zu einzelnen Änderungsvorschlägen ist derzeit nicht möglich, zumal es sich noch nicht um einen beschlossenen Entwurf einer Gesetzesänderung handelt“, hieß es aus dem Ministerium für Infrastruktur in Magdeburg. Bis es ein neues Straßengesetz gibt, wird noch so einiger Regen auf die Straßen von Sachsen-Anhalt fallen.

„Die Straßenbaulastträger beteiligen sich an den Investitionskosten für Regenwasserkanäle, uns Wasserwirtschaftlern geht es aber um die Instandhaltungskosten bei Zeiträumen von rund 70-80 Jahren. Die Kosten dafür tragen letztendlich die Bürger. Wir fordern ein Gebührenmodell!“
— Achim Grossmann, Verbandsgeschäftsführer des AVH „Untere Ohre“
Foto: SPREE-PR/Petsch

„§ 23 Abs. 5 ist veraltet. Die ­Kosten für Investitionen u. Unterhaltung der Kanäle haben sich drastisch erhöht. Die Beteiligung der Straßenbaulastträger ist nicht aus­reichend, um die realen Kosten zu decken. Das Gesetz muss aktualisiert werden, die Straßenbaulastträger müssen sich kostendeckend langfristig beteiligen.“
— Mario Pöschmann, Vorstand der Abwasserbeseitigung Weißenfels-AöR
Foto: SPREE-PR/Wolf
„§ 23 Abs. 5 des Straßengesetzes von Sachsen-Anhalt ist nicht nur ein ­Investitionsverhinderer, er verursacht auch bei den Aufgabenträgern erhebliche Kostendefizite. Die Straßen­baulastträger sollten sich über Benutzungsgebühren langfristig und angemessen an den Unterhaltungskosten beteiligen.“
— Andreas Beyer, Verbandsgeschäfts­führer des WAZV „Bode-Wipper“
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„Es wird keine Unterscheidung zwischen Investitions- u. Unterhaltungskosten betrieben. Die Kostenbeteiligung über § 23 Abs. 5 ist für die gesamte Nutzungsdauer eines Kanals nicht ausreichend. Die Lösung wäre ein Gebührenmodell, wie bereits bei Bundesstraßen und Altstraßen. Die finanziellen Belastungen müssen besser verteilt werden.“
— Stephan Sterzik, Verbandsgeschäftsführer des AZV Wipper-Schlenze
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„Die aktuelle einmalige Kosten­beteiligung der Straßenbaulastträger ist eine Schätzung vor ­Baubeginn, hat null Transparenz und es mangelt an betriebswirtschaftlicher Herangehensweise – ist aber wunderbar bequem – und zwar für die Baulastträger. Das ­System Kostenbeteiligung muss neu ­geregelt werden.”
— Frank Hellmann, Geschäftsstellenleiter Wasserverbandstag e. V. Sachsen-Anhalt
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