Skip to main content

Alte Postkarten wie diese zeigen das Stadtbild – hier Alt-Staßfurt – an der Bodebrücke im Jahr 1910.

Sachsen-Anhalt

Wo einst Karl der Große Heere zusammenrief – der Verband zwischen Bode und Wipper

Das Verbandsgebiet des WAZV „Bode-Wipper“ ist geprägt durch seine Flüsse: Bode und Wipper. In einer zweiteiligen Serie geht die WASSERZEITUNG den beiden historischen Wasserwegen näher auf den Grund. Teil 1: die Bode.

Beim Blick in die Geschichte ist klar, dass Staßfurt in seiner Identität eng verstrickt ist mit seinem Fließgewässer. „Das zeigt ja schon der Name der Stadt“, sagt Rico Schäfer, Vorsitzender vom Staßfurter Geschichtsverein. Wie bei vielen Siedlungen, die an Flüssen ihren Ursprung haben, war es eine Furt, die den Übergang über das Fließgewässer ermöglicht hat und den Ort für Handel oder Kriegszüge interessant gemacht hat. Somit war es sinnvoll, sich dort anzusiedeln. „Staßfurt wurde erstmals urkundlich im Jahr 806 erwähnt“, berichtet Schäfer. Damals habe Kaiser Karl der Große zu einer Heeresversammlung zur Furt von „Starasfurt“ gerufen.

Erst Furt, dann Brücke

Etwa 50 Meter von der heutigen zentralen Bodebrücke aus entfernt habe die ehemalige Furt gelegen, sagt der Staßfurter. Eine Brücke zum Ausbau der Handelswege habe auch nicht lange auf sich warten lassen. „Die wurde über die Jahrhunderte immer wieder durch Hochwasser zerstört und wieder aufgebaut, wieder zerstört und wieder aufgebaut.“

Inzwischen hat Staßfurt natürlich mehrere Brücken, die das Stadtzentrum mit dem historischen Ursprung des Ortes, dem Stadtteil Alt-Staßfurt, verbinden. „Von hier aus hätte man vor rund 100 Jahren noch tolle Fotos machen können“, sagt Schäfer mit Bedauern in der Stimme und zeigt auf die Gebäude rund um die Bodebrücke an der Lehrter Straße. Ein paar historische Überbleibsel, wie etwa das schwarze Pferd auf dem ehemaligen Gasthaus „Schwarzes Ross“ oder das Staßfurter Landhaus sowie der derzeit in Sanierung befindliche Turm der St. Marienkirche, gibt es natürlich immer noch. Aber andere historische Gebäude sind inzwischen verfallen. Die ehemalige „Engländer-Fabrik“ ist 1902 sogar abgebrannt.

Zwischen den beiden Bodebrücken lag einst die Furt, die Staßfurt ihren Namen gab.

Fotos und Telefonbücher

Schäfer und seine historisch interessierten Mitstreiter des Staßfurter Geschichtsvereins ziehen für ihre Recherchen nicht nur alte Fotos, sondern auch Dokumente wie etwa alte Telefonbücher hinzu. „Da muss man dann ab und zu das überdenken, was man als historischen Fakt angenommen hatte“, sagt Schäfer. Früher sei die Bode für ihren Fischreichtum bekannt gewesen. Über 24 Fischarten wurden 1781 noch in Höhe Staßfurts in dem Fließgewässer dokumentiert. „Das wäre heute ein Traum“, sagt Schäfer. Denn die Industrie, die für die Einwohner von Staßfurt rund um den Salineabbau sowie später die Kalisalzförderung und andere Industrien so wichtig war, hat natürlich negative Auswirkungen auf die Ökologie ihres Flusses genommen. Schließlich sei Staßfurt lange eine reine Industriestadt gewesen.

Tödliche Bootsfahrt

Neben dem Blick zurück in die Vergangenheit der Stadt, schaut Schäfer auch in die Zukunft und hofft, dass die Bode irgendwann besser für die Freizeit der Bürger und eventuell auch den Tourismus genutzt werden kann. Etwa mit einem Radwanderweg und hübschen Rastplätzen am Wasser. Wie damals, als der ortsansässige Fischhändler Paul Lindenberg von 1928 bis 1932 auf dem ehemaligen Mühlgraben, einem künstlichen Nebenlauf der Bode, Bootsfahrten veranstaltete. Diese Freizeitbelustigung nahm jedoch ein tragisches Ende, als Lindenberg sich am 17. Juli 1932 bei einer solchen Fahrt an einer Brücke den Kopf stieß und zu Tode kam. Die Bootsfahrten wurden daraufhin eingestellt und der Mühlgraben in den 1970er-Jahren wieder zugeschüttet.

Wer sich für die Historie der Bode-Stadt Staßfurt interessiert, kann sich auf der umfangreichen Webseite des Geschichtsvereins kundig machen oder mit den Mitgliedern Kontakt aufnehmen.

Die Bode zwischen Sage und Fakten

Die Bode hat ihren Ursprung im Harz und wird aus zwei Quellflüssen gespeist: Die Kalte und die Warme Bode. Die Namen tragen die Bäche aufgrund eines Temperaturunterschiedes von zwei Grad. Sie vereinen sich bei Königshütte auf einer Höhe von 424 Metern. Nach ihrer 176 Kilometer langen Reise durch ein Einzugsgebiet von 3.000 Quadratkilometern mit zahlreichen Nebenflüssen mündet die Bode bei Nienburg in die Saale. Sie überwindet einen Höhenunterschied von 368 Metern. Der Zuflusspunkt liegt bei 56 Metern über dem Meeresspiegel. Trotz des Höhenunterschieds hat die Bode keine Wasserfälle zu verzeichnen. Es gibt lediglich kleine natürliche Fallstufen von bis zu einem Meter im oberen Verlauf.

An Weihnachten 1925 kam es im Bodetal zu einem derart starken Hochwasser, dass die Bode im Vergleich zum Sommer ein tausendfaches an Wassermenge führte, die das Tal hinunter rauschte und die noch aus Holz bestehende Jungfernbrücke bei Thale mit sich riss. Sie wurde aus Naturstein wieder aufgebaut. Das Hochwasserrisiko wurde in den folgenden Jahrzehnten durch Talsperren wie die Rappbodetalsperre, die 1959 entstand, entschärft. Dennoch kam es in den vergangenen Jahren verstärkt durch den Klimawandel immer wieder zu prekären Situationen im Verlauf der Bode.

Seinen Namen verdankt der Fluss der Sage um den Riesen Bodo, der bei der Verfolgung der Königstochter Brunhilde bei der heutigen Roßtrappe in die Schlucht stürzte, während das Pferd Brunhildes über den Abgrund sprang.