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Die Salzwiesen in Hecklingen bieten vielen Arten auf wenig Fläche ein Zuhause

„Vielfältiges Ökosystem auf kleinstem Raum“

Auf den ersten Blick sieht alles ganz unscheinbar aus: Zwischen saftig grünen Büschen weiden friedlich ein paar Pferde. Idyllisch, aber irgendwie nichts Besonderes. Weit gefehlt!

„Bei uns in Hecklingen haben wir eine der vielfältigsten und bestuntersuchten Salzwiesen Deutschlands“, verrät Naturschützer Dietmar Spitzenberg, der sich hier schon seit Jahrzehnten ehrenamtlich engagiert. Die Fläche, seit 2011 im Besitz der ­NABU-Stiftung, steht bereits seit 1926 unter Schutz und gehört damit zu den allerersten Naturschutzgebieten Deutschlands.

Im Zentrum der Salzwiese ist alles kahl, weil der Salzgehalt des Bodens zu hoch ist. Je geringer der Salzgehalt, desto größer wird die Pflanzenvielfalt.
Foto: Dietmar Spitzenberg

Salz als Lebenselixier

Bei Hecklingen, rund vier Kilometer westlich von Staßfurt, tritt aufgrund einer unterirdischen geologischen Störung Salzwasser an die Oberfläche. „Es handelt sich um ein natürliches Phänomen, das mit dem traditionellen Salz- und Kali­abbau in der Region Staßfurt nichts zu tun hat“, erläutert Spitzenberg. An manchen Stellen ist die Salzkonzentration so stark, dass dort keine Pflanzen wachsen können. „Die Ausblühungen an der Oberfläche locken Vögel wie Sperlinge oder Stare, aber auch andere Tierarten an, die hier ihren Salzbedarf decken“, sagt der Experte.

Schon in geringer Entfernung nimmt der Salzgehalt des Bodens ab, ist aber dennoch höher als sonst üblich. Hier haben sich seltene Pflanzen angesiedelt, denen das nichts ausmacht oder die das Salz sogar brauchen. Jede Art hat hier ihren Lieblingsplatz, je nach individueller Salztoleranz. „So hat sich mitten im Binnenland eine spezielle und sehr seltene Flora und Fauna entwickelt, wie man sie sonst nur in Küstennähe findet“, sagt der 71-Jährige. In der Salzstelle Hecklingen leben mehr als 250 Pflanzen­arten, darunter über 30 der raren Salzpflanzen, fast 800 Insektenarten, 110 Spinnenarten sowie zahlreiche Vögel und Kleintiere, die hier Nahrung finden.

17 Koniks, verwandt mit Wildpferden, ­erhalten durch Beweidung Lebensräume auf den ­Salzwiesen.
Foto: Primigenius gGmbH/Theresa Petzold

Pferde als Beschützer

Dass dieses empfindliche Ökosystem erhalten bleibt, dafür sorgen 17 Konik-Pferde, die hier seit 2023 ein neues Zuhause gefunden haben. „Ohne kontrollierte Beweidung würden viele der zarten Salzpflanzen von Gräsern und Schilf überwuchert und hätten keine Überlebenschancen“, erläutert Christiane Hönicke, die für das Wohlergehen der Tiere verantwortlich ist.

Doch wäre es nicht viel umweltgerechter, die Salzstelle sich selbst und damit der Natur ihren Lauf zu lassen? „Nein, es ist genau umgekehrt, die kontrollierte Beweidung stellt den ursprünglichen Zustand wieder her“, sagt die 38-jährige Biologin. Vor langer Zeit haben wilde Weidetiere wie Wisente oder Wildpferde solche Flächen frei gehalten, später grasten hier immer mal wieder Nutztiere wie Rinder oder Schafe. Heute übernehmen die ursprünglich aus Polen stammenden Koniks diesen Job, eine besonders robuste Rasse, die relativ nah mit dem Wildpferd verwandt ist.

Bunte Vielfalt

Die Vierbeiner arbeiten aber nicht wie eine Art tierischer Rasenmäher, bei dem der gesamte Bewuchs gleichermaßen gestutzt wird.  „Wie wir Menschen sind sie beim Essen wählerisch und fressen nicht alle Pflanzen gleich intensiv ab“, erläutert Hönicke. Dadurch entstehen auf der Wiese spezifisch zusammengesetzte Pflanzengruppen in verschiedenen Höhen, die jeweils eigene Mini-Lebensräume bilden. „Selbst da, wo unsere Pferde einige Stellen kahl fressen, sorgen sie mit ihren Hufen dafür, dass Samen in die Erde eingetreten werden und neues Leben entsteht.“

Sogar der Dung der tierischen Mitarbeiter ist wichtig für das Gesamtsystem, denn er ist Nahrungsquelle für rund 200 verschiedene Tiergruppen.

Die friedlichen Pferde stillen nicht nur ihren Hunger, sondern schaffen dabei Lebensraum für eine Vielzahl einzigartiger Pflanzen und Tiere, die dieses 35,5 Hektar große Schutzgebiet so besonders und wertvoll machen. „Die Salzstelle Hecklingen ist ein hochkomplexes Ökosystem auf kleinstem Raum“, sagt Christiane Hönicke. „Mit seinen vielen seltenen Pflanzen und Tieren leistet es einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der zunehmend bedrohten Artenvielfalt in der Region und das kommt letztlich uns allen zugute.“

Foto: PR

Die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe

Die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe ist eine gemeinnützige, nicht profit­orientierte, bundesweit tätige Stiftung, die in ganz Deutschland gezielt Flächen aufkauft, um die dortige Natur zu erhalten und zu schützen. „Unser Ziel ist eine langfristige, kontinuierliche Arbeit, um die örtlichen Ökosysteme dauerhaft zu bewahren“, sagt Dr. Svenja Sammler, die unter anderem für die Salzstelle Hecklingen zuständig ist. Die Bewirtschaftung der Flächen wird von Pächtern übernommen, im Falle der Salzstelle Hecklingen ist das die Primigenius gGmbH.

Foto: Dietmar Spitzenberg

Die Salzstelle ­Hecklingen erleben

Die Salzstelle Hecklingen ist seit 1926 ein Naturschutzgebiet. Auf dem 35,5 Hektar großen Gelände selbst gibt es keine Wege, um das ­Gebiet individuell zu erkunden. Es finden aber jedes Jahr im August ­öffentliche Führungen statt (Termine unter www.primigenius.de), die über die Besonderheiten dieses Biotops informieren. Schulklassen, Vereine oder andere Gruppen können auf Anfrage auch individuelle Führungen erhalten. Interessierte wenden sich direkt an Christiane Hönicke, E-Mail: christiane.hoenicke@primigenius.de, Telefon 034979 3058-0.

Foto: Dorrit Bögel

Christiane Hönicke

Biologin Christiane Hönicke ist als „Tiermanagerin“ für die zehn ­Konik-Stuten und die sieben Wallache auf der Salzstelle Hecklingen verantwortlich. Sie sorgt für eine ordnungsgemäße Haltung und medizinische Versorgung der Tiere. Ihr Arbeitgeber, die gemeinnützige Primigenius gGmbH, wurde vom NABU-Regionalverband Köthen gegründet und hat sich auf die naturnahe Beweidung und die Zucht von Weidetieren spezialisiert.

Foto: privat

Dietmar Spitzenberg

Dietmar Spitzenberg ist gelernter Werkzeugmacher und engagiert sich seit frühester Jugend für den Naturschutz und ganz besonders für die Salzstelle in seinem ­Heimatort Hecklingen. Noch zu DDR-Zeiten setzte er gemeinsam mit Mitstreitern durch, dass die Salzstelle durch einen Graben vor der Gülle geschützt wurde, die bei Starkregen aus der örtliche Schweinemastanlage austrat. Heute kümmert sich der 71-Jährige zusammen mit seiner Kollegin Veronika Thiemann als ehrenamtlicher Schutzgebietsbetreuer der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe tagtäglich darum, dass vor Ort alles in Ordnung ist.